Strohausen, ein alter Friesenhafen
Quelle: „Leuchtfeuer“
Heimatblatt für die Jugend zwischen
Niederelbe und Ems
(NWZ- Beilage vom 27. August 1977)
Wilhelm Purnhagen
Wenn wir heute auf der, Hauptstraße von Brake nach Nordenharn durch Rodenkirchen fahren und dann auf einer neuen Brücke einen breiten Siel überqueren, werden wir kaum das Gefühl haben, dass wir uns schon in einem anderen Ort befinden. Eine ganz kurze Strecke weiter sehen wir dann rechts das Friesendenkmal, das einen trotzigen Krieger mit Morgenstern und Schild zeigt und an die aus der Geschichte bekannte Schlacht an der Hartwarder Landwehr im Jahre 1514 erinnert.
Wir befinden uns also im Ort Hartwarden, hier am Siel, den wir soeben überquerten, war die Hartwarder Landwehr. Dieser Wasserlauf war früher kleiner, er ist erst in neuerer Zeit durch die Vereinigung dreier Siele so breit geworden. Ältere Karten zeigen, dass die beiden Ortschaften Rodenkirchen und Hartwarden früher getrennt waren. Erst durch die Bebauung der Zwischenstrecke sind sie äußerlich zu einer Einheit geworden.
Wenn wir kurz vor der Brücke nach rechts abbiegen, kommen wir nach Strohausen, dem Hafen von Rodenkirchen. Der Name tritt allerdings erst später in den Urkunden auf. Was der Name bedeutet, habe ich nicht mit Sicherheit feststellen können.
Die Friesen an der Weser sind nicht, wie man oft hören kann, von jeher Seeräuber gewesen, die die Handelsschiffe auf der Weser überfielen und ausraubten. Stadland und Butjadingen waren als Viehzuchtgebiete selbst auf Handel angewiesen, wenn die Bewohner in einem gewissen Wohlstand leben wollten. Das fehlende Holz holten sie von der Geest. Als bequemstes Verkehrsmittel dienten die Sieltiefe, da besonders im Winter die Wege fast unpassierbar waren. Lieferanten für Textilien, Lederwaren und Waffen waren besonders die Niederlande. Um diese Waren bezahlen zu können, mussten die Friesen ihre Landesprodukte ausführen, das waren besonders Vieh, Häute, Butter und Käse.
Für den Handel über See waren die Häfen von Elsfleth und Rodenkirchen besonders geeignet, da diese beiden Orte in der Mitte der Marschengebiete an der Weser lagen. Bremen hatte sich nach der Erhebung zu einer Bischofsstadt im Jahre 789 und der Erbauung eines Domes zu einer wichtigen Handelsstadt entwickelt. Die Stadt benötigte für die Einfuhr ungefähr dieselben Handelsgüter wie die Rüstringer Friesen. Ihre Handelsschiffe führten dagegen vor allen Dingen Korn und Wolle aus, die von der umliegenden Geest geliefert wurden. Dazu hatten die Bremer es früh verstanden, aus Korn ein schmackhaftes Bier zu brauen, das bald. weithin einen guten Ruf hatte.
Obwohl zwischen den Bremer und Rüstringer Handelsleuten eine gewisse Konkurrenz bestand, hatten beide doch das gemeinsame Interesse, ihre Schifffahrt zu sichern und zu schützen. Wir können deshalb annehmen, dass zwischen ihnen schon sehr früh Abmachungen bestanden, um den Schiffen den Weg durch die sich ständig verändernden Sände und Untiefen der Weser zu sichern und Überfälle abzuwehren In einer der ersten uns erhaltenen Urkunden über Rodenkirchen (1220) verpflichteten sich nämlich beide Parteien, ihre alten Abmachungen strikt einzuhalten, für einen reibungslosen Schiffsverkehr zu sorgen und strenge Maßnahmen gegen Störenfriede durchzuführen.
Wie wichtig man diese Abmachungen nahm, kann man daraus ersehen, dass man vereinbarte, von beiden Seiten regelmäßig 16 Vertreter nach Elsfleth zu entsenden, die alle auftauchenden Fragen und Probleme klären sollten. In dieser Urkunde über Rodenkirchen werden zwei Vertreter aus diesem. Kirchspiel, Theobrandus aus Beckum und Boyke von Havendorf, namentlich erwähnt.
In der kaiserlosen Zeit zu Ende des 13. Jahrhunderts, als Recht und Ordnung missachtet wurden und das Raub- und Fehdewesen überhand nahm, tauchten auch Klagen auf, dass die Bewohner des rechten Weserufers Handelsschiffe auf der Unterweser plünderten. Aus diesem Grunde - erklärten sich die Rüstringer im Jahre 1295, bereit, 1200 Mann zur Bestrafung der Übeltäter und zur ferneren Sicherung des Schiffsverkehrs zur Verfügung zu stellen:
Den Rodenkirchern, die auch an diesen Abmachungen beteiligt waren, diente zweifellos der Siel als Hafen. Der Name Strohausen für den Hafen tritt allerdings noch nicht auf. Wir können darum annehmen, dass zu der Zeit dort nur wenige oder keine Häuser gestanden haben.
Dies friedliche Verhältnis zwischen Bremern und Friesen änderte sich, als Bremen im 14. Jahrhundert durch seinen Beitritt zur Hanse seinen Handel gewaltig ausdehnte und mit dem Reichtum auch das Machtstreben wuchs. Auch im friesischen Lande trat eine Änderung ein, indem die alte Konsulatsverfassung aufgegeben wurde und besonders einflussreiche Häuptlinge ihr Amt erblich machten und nun bemüht waren, Macht und Ansehen auszudehnen. Das führte zu Streitereien unter den Häuptlingen und bald auch zu Reibereien mit den Bremern.
Zunächst arteten solche Streitfälle noch nicht in offene Feindseligkeiten aus, wie mehrfache Verträge zeigen. In einer Bremer Urkunde aus dem Jahre 1375 heißt es z. B.: „Wir (Pfarreingesessene zu Rodenkirchen und Konsuln in Bremen) erkennen und bezeugen, dass alle Streitereien, Zwietracht, Gegnerschaft und Uneinigkeit, die zwischen der Bremer Bürgerschaft einerseits und uns und unseren Vorfahren andererseits bestanden, gänzlich beigelegt und in Freundschaft mit unserem Willen und Zustimmung völlig begeben sind."
Das änderte sich, als die organisierten Seeräuber, die Liekendeeler, von der Ostsee zur Nordsee überwechselten und die Häuptlinge mit den Banditen gemeinsame Sache machten. Nun war es mit dem Einvernehmen endgültig vorbei, und es kam zu kriegerischen Auseinandersetzungen.
In Rodenkirchen lebte zu dieser Zeit der Häuptling Didde Lübben, der seine Herrschaft über ganz Stadland ausgedehnt hatte. Obwohl er mit den Bremern Friedens- und „Leuchtfeuer“ Heimatblatt für die Jugend zwischen Niederelbe und Ems Sühneverträge geschlossen hatte, nahm er trotzdem an der Seeräuberei teil. Einerseits gewährte er den Liekedeelern Zuflucht auf seinen festen Häusern und in den Kirchen, andererseits betrieb er Seeraub auf eigene Faust.
Ein Bremer Chronist hat uns ein Register seiner Schandtaten überliefert: "Didde hat mit seinen Schiffen Bremer Kauffahrer auf der Weser überfallen und ausgeplündert, ein Schiff mit Salz und Roggen weggenommen, ein aus Groningen kommendes Schiff weggenommen und ausgeraubt, ein aus Bergen kommendes Schiff überfallen und herausgenommen, was ihm wertvoll erschien, Fischer bei Nachtzeit überfallen und zum Teil erschlagen, ihnen Segel und Riemen genommen und die überlebenden in Kähnen treiben lassen und sie so dem Tode des Ertrinkens ausgesetzt. Didde nahm Angehörige des Bremer Rats gefangen und gab sie nur gegen hohes Lösegeld frei, nachdem er ihnen ihr Geld und Gut und ihre Schiffe abgenommen hatte.
Diese Schandtaten setzen voraus, dass Didde entsprechend ausgerüstete große Schiffe besaß, und dass er sie in einem geeigneten und ausreichend großen Hafen unterbringen konnte.
Leider sind uns keine Einzelheiten über Zahl, Größe und Eigenart dieser Schiffe überliefert worden. Ebenso sind auch keinerlei Abbildungen von solchen Fahrzeugen erhalten geblieben. Dass der Rodenkircher (Strohauser) Siel als Hafen diente, ist außer Zweifel, über seine Beschaffenheit liegen aber keine Nachrichten vor.
Es folgte ein Jahrhundert zunächst wechselvoller Kämpfe, in denen die Friesen schließlich. unterliegen mussten, zumal sich die Oldenburger Grafen den Bremern anschlossen. Beiden ging es dabei nicht nur darum, ihre Schifffahrt zu sichern, sie wollten auch das fruchtbare Marschenland in ihre Hand bringen. Die einzelnen Ereignisse in diesem Kampfe, die Erbauung der Friedeburg durch die Bremer, der "Bruderkuss" usw. sind weitgehend bekannt und können hier deshalb übergangen werden: Als nach der Entscheidungsschlacht an der Hartwarder Landwehr Butjadingen und Stadland unter die Herrschaft der Oldenburger Grafen kamen, hörte die Seeräuberei auf, und von nun an liegen klare Berichte über die Schifffahrt vor.
Erst seit dieser Zeit kann man sich auch ein genaueres Bild von dem Lauf der Weser und den Uferverhältnissen an der Butjadinger Küste machen.
Eine amtliche Karte vom Jahre 1599 zeigt, dass damals mehrere kleinere Sände (Insenl) vor dem Siel von Rodenkirchen lagen, die ihre Lage und Größe ständig änderten. Sie wurden von starken Strömungen durchflossen, die fast senkrecht auf das Ufer trafen und hier große Abbrüche verursachten. Da man diese Schäden nicht durch Schlengen verhindern konnte, ging man daran, die Durchflüsse (Gaten) zu durchdämmen, so dass eine größere Insel, die Strohauser Plate, entstand, die dann auch eingedeicht wurde.
Die zweite Karte lässt erkennen, dass nun der Hauptstrom westlich an der Plate entlang führte und sich dort ein größeres Vorland gebildet hatte. Während auf der Karte von 1599 der Siel noch als Hartwarder Siel bezeichnet wird, tritt auf dieser Karte mit der Bezeichnung Strohauser Plate auch der Name Strohauser Siel auf. Inzwischen werden sich am Siel mehr Leute angesiedelt haben, denn neben Hartwarden wird auch Strohausen als selbständiger Ort geführt.
Das Wort Siel geht nach der Ansicht von Sprachforschern auf lat. incile = Abzugsgraben zurück und wäre damit eines der ältesten Lehnwörter unserer Sprache. Es bezeichnet einmal den Wasserlauf selbst, der ursprünglich wie seine Windungen im Oberlauf zeigen, ein natürlicher Abwässerungsgraben war. Im engeren Sinne ist ein Siel der Durchlass des Wassers durch den Deich und damit auch seine Mündung. Der Klarheit halber nennt man heute den Wasserlauf gewöhnlich Sieltief. und beschränkt das Wort Siel auf den Durchlass.
Urkundlich wird der Strohauser (Hartwarder) Siel zum ersten Mal im Jahre 1417 erwähnt, als der Rat der Stadt Bremen nach der vorübergehenden Eroberung Butjadingens und der Erbauung der Friedeburg dem Burgvogt Arend Balleer ein Stück Grodenland schenkte, das außendeichs von Esenshamm bis Hartwarden reichte "dar der Hartwarder Syl in die Weser fallet".
Wie in früherer Zeit für das Moor die Torfkanäle, so waren für die Marsch die Sieltiefe lebenswichtig für den Verkehr. Bis zur Mitte des vorigen Jahrhunderts gab es in der Marsch kaum Straßen, die das ganze Jahr hindurch befahrbar waren. In trockenen Sommern konnten die Kleiwege mit Pferd und Wagen gut befahren werden. Wenn aber im Herbst starke Regenfälle eingesetzt hatten, verwandelte sich die Oberfläche dieser Straßen bald in eine aufgeweichte Masse, in die die Wagenräder tiefe Rinnen schnitten und die Pferdehufe einsanken. Eine Benutzung mit Fahrzeugen war unmöglich, und Fußgänger konnten sich nur in hohen Stiefeln einen Weg bahnen. Noch lange nachher, als es schon Klinkerstraßen gab, wusste man sich zu erzählen, dass die jungen Mädchen aus den Bauernhöfen von den Knechten zum Weihnachtsball in Schmedes Hotel getragen wurden. Die Landbewohner deckten sich nach Möglichkeit auch auf den Herbstmärkten mit Vorräten für den ganzen Winter ein; weshalb der Rodenkircher Markt auch als EinkaufsGelegenheit für alle Betriebs- und Haushaltsgegenstände von jeher eine so wichtige Rolle spielte.
In der ungünstigen Jahreszeit wurde nur auf den Sieltiefen ein notdürftiger Verkehr mit Booten aufrecht erhalten. Die Brücken über die Tiefe wurden darum auch so hoch angelegt, dass die Boote darunter durchfahren konnten.
Da es noch keine Molkereien gab, musste die Milch in den Häusern zu Butter gekamt oderzu Käse verarbeitet werden. Deshalb kamen die Aufkäufer regelmäßig mit ihren Kähnen und kauften die Produkte auf. Das waren beträchtliche Mengen, und die sogenannten "Botterschipper" sollen alle reich geworden sein, besonders, weil die Bauern keine Waage im Hause hatten, wie man boshaft sagte.
Auch das Korn wurde zum Mahlen mit Booten zu den Mühlen befördert, die deshalb auch„Leuchtfeuer“ Heimatblatt für die Jugend zwischen Niederelbe und Ems zweckmäßig unmittelbar an den Sielen standen. Am Strohauser Siel waren zu Beginn unseres Jahrhunderts noch zwei Windmühlen in Betrieb, eine stand in Hartwarden, die andere beim Hafen am Außentief.
Vom Strohauser Hafen wurden die Handelsprodukte der "Botterschipper" hauptsächlich nach Bremen verfrachtet, wo sie leichten Absatz fanden. Von dort kehrten die Schiffer mit allen möglichen Gütern des täglichen Bedarfs zurück. So war Strohausen ein bedeutender Hafen, und man konnte mit einigem Recht. sagen, dass Rodenkirchen bei Strohausen lag. Der Hafen hatte eine 100 Meter lange Kaje (Hafenmauer), und hier war auch ein Neben- Zollamt erster Klasse. An dem Außentief entlang führten ein Fahrweg. und ein Flurenpfad (Flure = Steinplatte) für Fußgänger bis zur Mündung in die Weser, wo sich ein Anleger befand. Hier legten 1846 die ersten Oldenburger Dampfschiffe „Paul Friedrich August", "Oldenburg" und "Hanseat" an, die den Verkehr zwischen Oldenburg und Bremen und Bremerhaven vermittelten. Auch die Bremer Dampfer "Bremen", "Roland" und "Telegraph" legten auf ihren Fahrten nach Bremerhaven und zurück in Strohausen an: Einmal am Tage verkehrte das Dampfschiff. "Brake" zwischen Bremen und Strohausen. Es fuhr in Bremen um 4 1/2 Uhr nachmittags ab und kehrte um 5 1/2. Uhr morgens von Strohausen nach Bremen zurück.
Einige Zahlen mögen die Bedeutung des Strohauser Hafens kennzeichnen. Noch im Jahre 1865 liefen 9550 Schiffe den Anleger an. 505 Schiffe kamen mit Fracht an, und 494 Schiffe gingen beladen ab. Ausgeführt wurden z. B.
205 987 Pfund Butter,
11 246 Pfund Fleisch,
13 964 Scheffel Bohnen,
854 Scheffel Rapssaat,
3727 Schweine,
425 Schafe,
1217 Enten und Hühner,
17 170 Eier,
538320 Ziegelsteine.
Nicht genannt ist hierbei die Zahl der ausgeführten Pferde, Kühe und Ochsen.
Eingeführt wurden z. B.
33 474 Pfund Petroleum,
130550 Scheffel Reis,
2251/2 Last Steinkohlen und
2610 Last Sand.
Einen entsprechenden Anteil an diesem lebhaften Verkehr hatten auch die in Strohausen beheimateten Schiffer. Am 1. Dezember 1846 wurden z. B. folgende Strohauser Schiffseigner registriert: „Leuchtfeuer“ Heimatblatt für die Jugend zwischen Niederelbe und Ems
Gerd Barr 1 Schiff "Margarethe", 12 Last,
Wilhelm Steuer 1 Schiff "Anna", 12 Last,
Friedrich Steuer 1 Schiff „Helena", 15 Last,
Johann Scgrage 1 Schiff “Gesine", 9 Last,
Jakob Boycksen 1 Schiff “Catharina", 9 Last.
(Eine Last wird bei Kohli mit 18 Tonnen angegeben.)
Als um die Mitte des vorigen Jahrhunderts der Handel mit dem Ausland sich stark erweiterte und Bremens Schifffahrt einen gewaltigen Aufschwung nahm, wurde auch in Butjadingen der Versuch unternommen, einen größeren Anteil an dieser Entwicklung zu gewinnen. Am 15. Oktober 1854 wurde eine Gesellschaft gegründet, die, wie es , in dem Bericht heißt, "eine regelmäßige Verbindung mittels eines Dampfschiffes mit London herstellen soll, um namentlich in der Herbst- und Sommerzeit, wenn fettes Rindvieh! und Schafe in genügender Menge vorhanden sind, den Transport derselben nach England zu beschaffen". Die Bauern fühlten sich durch die bisherigen Unternehmer benachteiligt, die Transportkosten waren sehr hoch, die Einrichtungen für Viehtransport schlecht, so dass die Tiere litten. Die unregelmäßigen Fahrten machten den Absatz schwierig, weil die terminmäßigen Märkte oft nicht beschickt werden konnten.
Etwa 25 Aktionäre, größtenteils Bauern, gründeten die Gesellschaft. Zunächst wurde zum Betrieb der "Gesellschaft zur Beförderung des Viehtransports von der Weser nach London" ein Schiff, die „Queen" gechartert. Als sich das nicht als rentabel erwies, bestellte die Gesellschaft in England einen Schraubendampfer von 520 Tonnen Größe, der jeden Freitag oder Sonnabend in London sein sollte und, wenn Zeit und Raum es gestatteten, auch andere Güter mitnehmen sollte. Die Frachtsätze waren genau festgelegt und möglichst niedrig gehalten. Die Gesellschafter verpflichteten sich, ihr Vieh nur mit diesem Schiff befördern zu lassen, wenn es nach England verkauft werden sollte. Für die Rückfahrt war andere Fracht, vor allen Dingen Kohle, vorgesehen.
Die "Butjadingen", dies gesellschaftseigene Schiff, machte seine erste Fahrt am 15. August 1855. Es konnte 250 bis 300 fette Ochsen befördern und bot in einer eleganten Kajüte auch Gelegenheit für Fahrgäste zur überfahrt nach England.
Die ersten Fahrten verliefen glücklich, aber schon 1857 wurde die „Butjadingen“ in schweren Oktoberstürmen stark beschädigt und konnte nicht zur Weser zurückkehren. Die Aktionäre waren es leid, noch weitere Opfer aufzubringen, und beschlossen auf einer Generalversammlung im Oktober 1859, die Gesellschaft aufzulösen.
lnzwischen hatten sich die Verkehrsverhältnisse grundlegend verändert, die neuerbauten Klinkerstraßen boten für Fahrten mit Pferd und Wagen keinerlei jahreszeitliche Schwierigkeiten mehr, und die Eisenbahn Hude – Nordenham übernahm dann den Hauptverkehr . Da war es mit der "Goldenen" Zeit der "Botterschiffer" und der kleinen Küstenschiffer vorbei, und der Hafen von Strohausen verlor rasch an Bedeutung. Entscheidend war aber; auch, dass durch die Weserkorrektion der Hauptstrom der Weser auf die Ostseite der Strohauser Plate verlegt wurde und der Strohauser Siel nun in einen Nebenarm der Weser, die Schweiburg, mündete. Wie die "Kleine Weser" zu diesem Namen gekommen ist, hat sich nicht feststellen lassen. Da jetzt auch keine. Passagierdampfer hier mehr anlegen konnten, war der Anleger überflüssig geworden und wurde stillgelegt. Dank der Tüchtigkeit und Willensstärke einer alteingesessenen Schifferfamilie war der Strohauser Siel bis zu Beginn des ersten Weltkrieges aber noch der Heimathafen mehrerer Schiffe. Darüber soll am Schluss berichtet werden.
Leider ist die schöne Mühle, die, wie unser Bild zeigt, noch um 1900 das Blickfeld des Hafens beherrschte, nicht mehr vorhanden. Oben wurde schon erwähnt, dass die Mühlen in den Marschgebieten aus Verkehrs gründen gern. Unmittelbar an den Sielen errichtet wurden. Lange Zeit waren die bei den Mühlen in Strohausen und Hartwarden die Wahrzeichen des Rodenkircher Gebietes. Mühlen muss es nach Lage der Dinge schon in alter Zeit gegeben haben, wenn wir auch keine sicheren Urkunden darüber besitzen. Bekannt ist, dass die Oldenburger Grafen nach der Eroberung von Butjadingen und Stadland das Mühlenrecht für sich in Anspruch nahmen. Sie bestimmten zu jeder Mühle einen Bannkreis, das heißt, jeder Bewohner dieses Gebietes durfte sein Korn nur in dieser Mühle mahlen lassen. Bestehende Mühlen wurden mit mehr oder weniger Recht unter gräfliche Verwaltung gestellt und verpachtet. Der Pächter nahm für das Mahlen kein Geld, sondern behielt als Lohn einen bestimmten Teil des Getreides ein. Als Maß dienten kupferne Gefäße von einer amtlich festgesetzten Größe, die sogenannten Matten. Sie waren so bemessen, dass beim "Matten" von den meisten Getreidearten das 32. Korn einbehalten wurde. Wurde das Getreide frisch zur Mühle gebracht, dann wurde der Feuchtigkeitsgehalt auf einer besonderen Waage festgestellt und nach dem Ergebnis auch der Abzug bestimmt. Erst zu Anfang des 18. Jahrhunderts, teilweise zur französischen Zeit, gingen die Mühlen in Privatbesitz über, und damit hörte auch der Mahlzwang auf.
Die Windmühle am Strohauser Hafen wurde schon 1802 privat von Hinrich Hayßen erbaut für 18 000 Reichsthaler. Sie hatte zwei Gänge für Getreidesorten und einen Gang zum Ölschlagen. Ein Nachkomme des Erbauers war lange Jahre hindurch Pächter der Strohauser Plate und bewohnte dann bis in die zwanziger Jahre hinein das Haus am Strohauser Hafen vor den Mühlengebäuden. Bei einem schweren Sturm mit Hochwasser, wobei das Außendeichsland überschwemmt wurde, brannte im April 1912 die Mühle ab. Die wie ein Feuerrad sich rasend drehenden Flügel boten einen schaurig-schönen Anblick. Da die Motoren damals schon das Windmühlensterben eingeleitet hatten, wurde die Mühle nicht wieder aufgebaut.
Sowohl die Strohauser als auch die Hartwarder Mühle waren damals im Besitz der Familie Ruschmann.
Auch die Hartwarder Mühle konnte sich als reine Windmühle, nicht halten. Nachdem sie zunächst zusätzlich auf Motorenbetrieb eingestellt worden war; wurde sie 1964 stillgelegt. Ein Jahr später wurden die Flügel abgenommen, der obere Teil, das Achtkant, wurde ebenfalls abgebaut, und nur der steinerne Unterbau blieb als letzter Zeuge dieses schönen Wahrzeichens erhalten. Ein Zweig der Familie Ruschmann führt hier den Mahlbetrieb noch fort.Als Oldenburg zu Beginn des 19. Jahrhunderts französisch geworden war und Napoleon durch die Kontinentalsperre den Handel mit England unterbinden wollte, wurde auch der Schiffsverkehr im Strohauser Hafen hart betroffen. Kein Schiff durfte landwirtschaftliche Produkte ausführen, und die Einfuhr von Kolonial- und Textilwaren war streng verboten.
Aber die Küstenschiffer machten vielfach aus der Not eine Tugend, sie fuhren mit unbeladenen Fahrzeugen hinaus auf die See, wo sie von englischen Schiffen Waren übernahmen, oder sie segelten auch ganz nach Helgoland, das damals englisch war, kauften dort die begehrten Auslandswaren ein und setzten sie dann bei Nacht und Nebel bei den Sielen an Land. Das brachte ein schönes Stück Geld ein, aber es war auch gefährlich, denn ein Heer von Zollwächtern, den sogenannten Douanen, war eingesetzt, um den Schmugglern aufzulauern. Wurden die "Defraudanten" erwischt, dann wurden sie schwer bestraft, und ihre Schmuggelware wurde beschlagnahmt. Dabei kam es zuweilen zu regelrechten Gefechten, wenn die ertappten Schmuggler es nicht vorzogen, ihre Ware im Stich, zu lassen und das Weite zu suchen. Uns sind keine Strafakten aus dieser Zeit erhalten, weil die Franzosen bei ihrem Abzuge alles Material dieser Art vernichteten. Bei der Bevölkerung galt der Schmuggel aber als Heldentat. Bei einer Gerichtsverhandlung gegen einen Schmuggler, der einen Douan getötet hatte, meinte der Angeklagte: „Dat weer jo man 'n Douan, 'n Douan is'n Beest."
AIs die Franzosenherrschaft vorbei war, konnten alle Waren wieder uneingeschränkt eingeführt werden, aber sie mussten wieder wie früher verzollt werden. Der Schmuggel hatte aber während der Fremdherrschaft einen solchen Umfang angenommen, und das Geschäft war so einträglich gewesen, dass viele Leute trotz drohender Strafen es nicht lassen konnten, dieses Handwerk weiter zu betreiben. Bei der Wilddieberei ist es ja ähnlich. Daher musste auch beim Strohauser Hafen ein verstärkter Zollwachdienst eingesetzt werden.
Da die den ertappten Schmugglern abgenommenen Waren öffentlich versteigert wurden, geben die entsprechenden amtlichen Berichte einen interessanten Aufschluss über den Umfang dieser Vergehen, die auch nach der Franzosenzeit allgemein nicht als ein großes Unrecht empfunden wurden. Hier einige Beispiele:
Anno 1836. Amt Rodenkirchen.
Folgende wegen Zoll- und Accise- Defrauqation (Steuervergehen) confiscierte Gegenstände sollen öffentlich meistbietend versteigert werden, und zwar in Oltmanns Wirtshaus in Strohausen am 10. Sept. d. J. nachmittags drei Uhr: 1/2 Anker (Fass) Genever (Schnaps), welcher dem Bäckergesellen J. H. Haase zu Rodenkirchen abgenommen, ein Packen mit kurzen Waren, welcher dem Jollenfahrer Schweers zu Strohausen abgenommen.
Anno 1843, Dez. 28.
Der Steueraufseher Tammeling in Strohausen hat abends etwa 11 Uhr folgende Gegen-„Leuchtfeuer“ Heimatblatt für die Jugend zwischen Niederelbe und Ems stände, als 1 Anker Rum, brutto 79 Pfund, 1 Anker weißen Wein, brutto 84 Pfund, 2 Kisten Candis, brutto 104 Pfund, 1 Ballen ungebleichtes baumwollenes Leinen, brutto 40 Pfund, in Beschlag genommen, welche von 5 auf den Anruf von Tammeling entflohenen Männern zurückgelassen, wurden. Es liegt der dringende Verdacht der Steuer Defraude vor.
Hier konnten nur ein paar Beispiele aus der großen Zahl der ertappten Schmuggler angeführt werden. Wie groß wird aber die Zahl der "Sünder" gewesen sein, die den wachsamen Augen der Zöllner entwischten! Bis zum ersten Weltkrieg war am Strohauser Hafen nur noch ein Zollbeamter stationiert, der seine täglichen Runden zu gehen hatte. Anscheinend war seine Tätigkeit mehr oder weniger zu einer Formsache geworden, denn der ehemals so einträgliche Schmuggel an den Sielen lohnte sich nicht mehr.